|
Die Brille - 1900
Korf liest gerne schnell und viel;
darum widert ihn das Spiel
all des zwölfmal unerbetnen
Ausgewaltzten, Breitgetretnen.
Meistens ist in sechs bis acht
Wörtern völlig abgemacht,
und in ebensoviel Sätzen
läßt sich Bandwurmweisheit schwätzen.
Es erfindet drum sein Geist
etwas, was ihn dem entreißt:
Brillen, deren Energien
ihm den Text - zusammenziehen.
Beispielsweise dies Gedicht
läse, so bebrillt man - nicht!
Dreiunddreißig seinesgleichen
gäben erst - Ein - Fragezeichen.
[Christian Morgenstern]
|
|
Die Brille - 2000
Unglaublich dieser Visionär,
sah Rechner - OO und noch mehr -
doch weniger das wußt er gleich,
ist mehr und macht den Geist erst reich.
All daß uns heut erst möglich ist,
weil Peters Geist - Gedichte liest -
denn einfach reimt der Satz sich gut,
wenn mans mit richtger Brille tut.
Da schließ ich aus dem Ganzen nun,
dem Korf bald - wird man gleich es tun -
die Brille her, und all das Gschwätz
wird aufhörn - wenn ich auf sie setz.
So gehn wir denn ab heut durchs Leben,
mit Brillen - die uns Freude geben -
nur heiße Luft - in Zeilen drin,
schmollt still und leis im Grab dahin.
[Christian G. Wolf, 08.10.2000]
|
|